dear Reader - Idealistic animals


Abstrakte Bildhaftigkeit und eine konkrete musikalische Idee — Dear Reader toppen mit "Idealistic Animals" ihr ohnehin schon starkes Debüt. "We like to feel like we are free / we make up something to believe [..] this is a struggle to survive […] there's no such thing as paradise" - Nanu, was ist denn in Cherilyn MacNeil gefahren? Lieblich ist etwas anderes. Einen derart elegischen Brocken von Song wie "MAN (Idealistic Animals)" in der Mitte des neuen Dear Reader-Langspielers zu platzieren, dürfte kein Zufall gewesen sein. Doch auch vom Start weg hat man mit "FOX (Take Your Chances)" das Gefühl, dass die Musik, nun, da die Band zum alleinigen Projekt der Südafrikanerin geworden ist, eine noch persönlichere Note verpasst bekommen hat. "At night my body aches / for your warmth under the sheets / I ached myself awake" — mit diesen Zeilen eröffnet MacNeil ihre Art-Pop-Paar-Therapie. Doch obwohl man nach diesem Einstieg bereits befürchten könnte, dass eine elf Songs lange Selbstbemitleidung folgt, wird man schnell eines Besseren belehrt. Intimer denn je, doch gleichzeitig von ungeheurer musikalischer Reife und Vielfalt — so präsentiert sich "Idealistic Animals" und katapultiert Dear Reader somit in die erste Liga des verspielten Pop, irgendwo zwischen Sophie Hunger, Regina Spektor und Tori Amos. Dear Reader - "MONKEY (You Can Go Home)" Bereits das an zweiter Stelle folgende "MONKEY (You Can Go Home)" überrascht mit einer wilden Melange aus exotischen Beats, Chören, klimperndem Piano und Rumpel-Gitarren. Vor allem aber groovt sich der Track federleicht über vor Phlegma sprühende Zeilen wie "Why would you want to be great anyway? What it takes to be great is a tortured state", sodass verwundertes Kopfkratzen durchaus im Rahmen der erlaubten Rezipienten-Reaktion liegen dürfte. Wo auf dem Vorgänger "Replace Why With Funny" noch Ansätze zum erweiterten Folk regierten, herrschen nun klare Ambitionen auf Weltmusik und Kammerpop. Müßig, sämtliche beteiligten Instrumente aufzählen zu wollen – ein Orchester könnte bequem mit der dargebotenen Klang-Vielfalt arbeiten. Doch muss man Dear Reader hoch anrechnen, dass unter großzügiger Instrumentierung stets wunderbar kluge Songs lauern. Wer einen Beweis dafür benötigt, der stelle die Stücke den auf der Bonus-CD enthaltenen Akustik-Versionen gegenüber. In den Songtiteln wird eine Affinität zur Tier-Metaphorik deutlich, welche durchaus einen tieferen Sinn besitzt. Ganz in der Tradition großer Geschichten-Erzähler, beleuchtet MacNeil die stets aktuellen, großen und deshalb schnell abgegriffenen Sujets: Liebe, Partnerschaft, Einsamkeit, Heimat. Die Einnahme wechselnder Tier-Perspektiven entpuppt sich dabei als ein geschickter Schachzug; durch die Übertragung typischer Charakteristika auf das Zwischenmenschliche wirken die Texte frisch und abstrakt genug, um nicht hinter jedem gehauchten "lonely" eine gebeutelte Cherilyn MacNeil zu vermuten. Dear Reader - "MONKEY (You Can Go Home)" (acoustic) Nichtsdestoweniger schimmert allzu oft tiefe Verletzung durch das mühsam errichtete Deutungsdickicht. Der Hintergrund: nachdem ihr bisheriger musikalischer Partner Darryll Torr sich dafür entschied, Südafrika die Treue zu halten und zukünftig dort als Produzent zu wirken, sah sich MacNeil gezwungen, den Weg als Dear Reader nunmehr allein und auch noch fernab der Heimat zu beschreiten. Den Kultur-Schock, den ein Umzug von Johannesburg nach Berlin in sich birgt, wird wohl niemand so ohne Weiteres abschütteln. Die beste Nachricht jedoch ist: künstlerisch hat es Dear Reader ungemein gut getan. So hervorragend "Replace Why With Funny" anno 2009 schon mit offenen Augen durch die Pop- und Folkhistorie schritt, so konsequent und weitaus mutiger stellt sich der Nachfolger dar. Luftig-leichte Unterhaltung hakt sich bei quälend langsamer Schwermut unter, ohne dass "Idealistic Animals" insgesamt durcheinander wirken würde. Eine Glanzleistung, dass dieses Album trotz seiner inhärenten Reibungs-Potentiale sehr homogen daherkommt. Es funktioniert oft in mehrere Richtungen — von himmelhochjauchzend zu Tode betrübt; unbekümmert tanzend und in stiller Introspektive versunken: geradezu dialektisch schmieden Dear Reader aus Gegensätzen etwas Eigenes und Neues, dem jeder Schrecken abgeht. "Idealistic Animals" ist ein Album zum Anlehnen. (Quelle: motor.de)

Tracklist:
1. Fox (Take Your Chances)
2. Monkey (Go Home Now)
3. Mole (Mole)
4. Earthworm (All Hail Our Ailing Mother)
5. Giraffe (What's Wrong With Us)
6. Man (Idealistic Animals)
7. Camel (Not Black Or White But Camel)
8. Whale (Boohoo)
9. Bear (Young's Done In)
10. Elephant (Hearter)
11. Kite (Soon We'll Light Up)

Clip:
Monkey (Go Home now acoustic)

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