Clueso - Neuanfang




Eigentlich führte Thomas Hübner, den meisten bekannt als Clueso, ein ziemlich okayes Leben. Mit seiner über die Jahre vom Reggae- zum Melancholie-Pop umgewandelten Musik füllte der Erfurter die großen Hallen und zahlreiche sehnsüchtige Herzen. Trotz üppigem Pathos, der in der deutschsprachigen Musik ja einen noch schwierigeren Stand hat als ohnehin, gelang es ihm über die Jahre sogar die Musikpresse zufrieden zu stellen. Ein Beispiel? Für die letzte Platte "Stadtrandlichter" zog der Kollege damals mit einer 7/10 den virtuellen Hut. Doch trotz Liebeserklärungen und Lorbeeren platzte bei Clueso der Popstar-Ballon: Luft raus! Nach zwei Jahren voller Trennungen – Manager, Label, Band: Adieu! – taucht der Ballon aber wieder am Himmel auf: Mit dem so simpel betitelten "Neuanfang" steht bereits Cluesos siebtes Album im Regal und zeigt neue Stärken auf dem Weg zu altbekannten Ufern.
Auch wenn es sich so lesen mag: Ein kompletter Reset ist "Neuanfang" nicht. Vielmehr tauscht Clueso einige Teile aus. Im Gegensatz zu den sphärischen Vorgängern finden sich wieder mehr analoge Instrumente. Klavier, Gitarre, Bass und Schlagzeug dominieren den Opener und Titeltrack. Die teils triefende Melancholie der Vorgänger kommt höchstens im hymnischen "Erinnerungen" an die Oberfläche. Ansonsten fliegt Clueso von einem kompakten Pop-Song zum Nächsten: meist zwischen drei und vier Minuten und streng nach vorne gehend. "Lass sie reden" kommt mit ge-strummten Akustikgitarren auch musikalisch interessant daher, wohingegen "Anderssein" bei einem Juni-Release wohl zum Sommerhit avanciert wäre. Das Duett mit der jungen Amerikannerin Sara Hartmann packt die sexy Gitarren aus und Clueso stimmt mit fast schon Kraftklub-ähnlichem Sprechgesang ein. Live dürften an dieser Stelle die Hände in Luft fliegen.
Nichtsdestotrotz ist "Neuanfang" bei Weitem keine Gute-Laune-Platte. Einerseits wären da die ruhigen Songs wie "Jeder lebt für sich allein" oder das mit Moby-Synthesizer verzierte "Neue Luft", die das Tempo und die Aufbruchsstimmung runterschrauben. Die Tiefe liegt aber vor allem in den sehr persönlichen Texten, handeln diese doch vor allem von persönlichen Problemen, Selbstzweifeln und all den Dingen, die der Ruhm eben so mit sich bringt. Im starken "Gordo" vergleicht er dies mit dem Schicksal eines ins Weltall geflogenen Affens und klingt dabei in der Strophe so wie Jan Plewka zu besten Selig-Zeiten. Auch der frühe Stimmungsmacher "Achterbahn" ist trotz Bläsereinsatz und Tanz-Beat keine leichte Kost. Clueso singt von unmöglichen Erwartungen und Ratschlägen, die ihm als Person des medialen Interesses gegeben werden. Spätestens wenn seine Stimme in der Bridge ungewohnt hoch und verzweifelt "Ich will ohne Plan fahren" tönt, nimmt man dem Jungen die subjektive Relevanz dieses Albums ab. Nach Veröffentlichung wird Clueso auch wieder mit einer neuen Band in den Tourbus steigen. Es sei ihm gewünscht, dass sein Leben dann wieder "mehr als ziemlich okay" ist. "Neuanfang" wird dieser Beschreibung auf jeden Fall gerecht. Mehr als das.(Quelle: Plattentests)


Tracklist:
  1. Neuanfang
  2. Achterbahn
  3. Neue Luft
  4. Erinnerungen
  5. Wenn du liebst (feat. Kat Frankie)
  6. Lass sie reden
  7. Anderssein (feat. Sara Hartmann)
  8. Gordo
  9. Jeder lebt für sich allein
  10. Sorgenfrei
Clip:
Neuanfang

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