The Slow Show - Dream Darling



Manche Plattenkritik könnte man als Rezensent auch ziemlich schnell abhandeln. Mit "Dream darling" veröffentlichen The Slow Show aus Manchester ihren zweiten Langspieler, und schon nach kurzer Zeit lässt sich in knapper Form feststellen: Wer das Debüt "White water" schon gut fand, wird hier ebenfalls auf seine Kosten kommen. Mindestens, denn der Zweitling kommt noch kompakter, fokussierter und entschlossener daher. Klar, mit solch einem Bandnamen wird man die Vergleiche mit The National nur schwer los, doch The Slow Show haben ihre Eigenheiten kultiviert und spielen sie auf "Dream darling" konsequent und verstärkt aus. Die Opulenz, mit der sie ihre Songs ausfüllen, die Chöre, die Streicher, der Pathos – alles noch da. Und natürlich croont und knödelt sich Rob Goodwin weiter durch Anekdoten von gebrochenen Herzen und verlorenen Seelen, stellt mit seinem Organ nach wie vor den am meisten polarisierenden Faktor dar, der über Sympathie oder Ablehnung gegenüber der Band entscheidet.
Gleich der Opener "Strangers now" vereint alles, was man an dem Quartett großartig finden kann. Das Stück beginnt getragen, noch ohne Percussion, jedoch mit einer gewissen Aufladung und Vorahnung, dass hier noch etwas kommt. Und in der Tat: "Who's breaking your heart tonight?", fragt Goodwin ganz in seinem Element, der Sound schwillt an, doch die tollste Stelle kommt am Schluss, wenn das Crescendo in sich zusammenfällt und eine perlende Coda sich aus den Trümmern herauswindet. In der Folge wechseln sich ruhige, sehr reduzierte Stücke wie "Hurts" und "Lullaby" mit energetischeren Stücken ab. "Ordinary lives" ist ein Beispiel für letztere Kategorie, ähnlich wie "Augustine" auf dem Vorgänger dient das Stück dazu, einen seltenen Moment der Geschwindigkeit ins Spiel zu bringen. Der Bombast bleibt jedoch zurückhaltend, statt plattem Aufschichten bleibt der Einsatz des Orchesters stets richtig dosiert.
Nachdem sich "Dry my bones" elegant durch sein Leid gewalzert hat, verzückt das rhythmuslastigere "This time" sowohl mit seinen schönen Harmonien als auch mit dem intensiven Twist gegen Ende, wenn Goodwins Stimme scheinbar aus dem hohlen Raum kommt. Doch was wäre ein Album von The Slow Show ohne Songs, die sich unbemerkt in Ohr und Herz schleichen, um dort nie wieder mehr zu verschwinden? "Brawling tonight" heißt ein solches Stück auf "Dream darling". Beim ersten Hören mag es als ruhiges Zwischenspiel abgetan werden, entscheidend sind jedoch die Details, die sich erst später entfalten. "I never felt so low", singt Goodwin gemeinsam mit weiblicher Begleitung, die absolute Verzückung bietet die Gitarrenlinie, die im Anschluss die Gesangsmelodie nachmalt. Einmal im Unterbewusstsein eingenistet, sorgt "Brawling tonight" bei jedem Durchlauf für Gänsehaut. Ein Grund mehr, diese Platte doch nicht zu schnell zu beurteilen und stattdessen wirken zu lassen.
Von der im letzten Jahr erschienen Non-Album-Single "Hopeless town" ist auf "Dream darling" leider nur die B-Seite vertreten. Jenes "Breaks today" ist dann allerdings nicht weniger als die Krönung am Ende einer wahrhaft erhabenen LP. Bevor man den Gedanken zu Ende überlegen kann, ob "You broke my heart today to see how you would feel" nicht ein an Nine Inch Nails' "Hurt" angelehntes Zitat ist, waschen das Arrangement und die Soundwand alle Gedanken hinfort und hinterlassen einen Zustand der melancholischen Euphorie. Schön, dass der wortlose Closer "Brick" das Motiv nochmals aufgreift und einen markanten Schlusspunkt setzt. The Slow Show schicken sich mit ihrem zweiten Album an, vollkommen aus dem Schatten der Band herauszutreten, bei deren Song sie sich ihren Namen entliehen haben, was definitiv kein leichtes Unterfangen ist. Aber denkt man heutzutage bei Radiohead automatisch an die Talking Heads? Eben.(Quelle: Plattentests)


Tracklist:
1. Strangers Now [ 5:18 ]
2. Hurts [ 4:25 ]
3. Ordinary Lives [ 3:59 ]
4. Lullaby [ 3:36 ]
5. Dry My Bones [ 3:53 ]
6. This Time [ 4:20 ]
7. Brawling Tonight [ 3:05 ]
8. Last Man Standing [ 3:57 ]
9. Breaks Today [ 4:38 ]
10. Brick [ 2:22 ]


Clip:
Ordinary Lives

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Jay-Z & Beyoncé - Everything Is Love

David Haerle - Garden of Edendale