Kaiser Chiefs - Stay together




Why would I want the entire fucking catalogue of the Kaiser Chiefs?", fragte Noel Gallagher kürzlich anlässlich der übermäßigen Musikauswahl in den gängigen Streaming-Services. Kein unberechtigter Einwurf, aber hey – alle hatten damals, anno "Employment", im verrauchten Pub oder der (damals noch verrauchten) Indie-Disco gestanden, bei "I predict a riot" das "ooh-ooh-ohh" und "nanananana-naaa" mitgejodelt. Mächtig Laune machte das, auf den Folgewerken konnten Kaiser Chiefs jedoch nur stellenweise das im wörtlichen Sinne rauschende Fest wiederaufleben lassen. Mit "Stay together" ist der "entire fucking catalogue" des Fünfers aus Leeds entgegen allen damaligen Prognosen bereits auf sechs Alben angewachsen. Und mit dem jüngsten Eintrag zeigen sie sich immerhin der Weiterentwicklung fähig.
Hielten Kaiser Chiefs schon immer gern die Füße in seichte Festzelt-Gewässer, hat sie nun jemand voller Wucht reingeschubst. Dieser Jemand könnte zum Beispiel Wayne Hector sein, der auf "Sunday morning" zum Songwriting beitrug und bereits solch gestandenen Künstlern wie Westlife oder One Direction zu Diensten war. Doch auch die von der Truppe selbst geschriebenen Stücke sind komplett an die Stromlinie des geringsten Widerstandes angepasst. Nicht, dass "Oh my God" oder "Ruby" nun ausgebuffte, komplexe Epen gewesen wären – aber da war eine angenehm bierselige Atmosphäre und eine gewisse Gewitztheit mit im Spiel. "Stay together" schraubt den Anspruch fast durchgängig eine ganze Stufe hinunter und hält sich gleichberechtigt elektronische Elemente, altbekannte Gitarren und eine gehörige Portion Stumpfsinn nebeneinander. Tausche Pale Ale gegen Sangria-Eimer.
Der Clou ist: Für viereinhalb Minuten funktioniert die Sache ganz hervorragend. "We stay together" ist eine Bombe von Opener, durchzuckt von zackigen Streichern, mit launigem Tempo, zwingendem Discorhythmus und fidelem Gequietsche. Das macht irre Spaß, so sollte sich eine Neuausrichtung gen Elektrorock immer anhören. Doch die beiden Singles folgen auf dem Fuße und belehren den Hörer eines Besseren. Der Stampfer "Hole in my soul" schlägt das Niveau in Runde eins K.O. und erinnert penetrant an das The-Killers-Fiasko "Day & age" oder auch an die diesjährige Bankrotterklärung "Boxes" von Goo Goo Dolls. Lady Gaga fände sowas selbst in ihren seichtesten Momenten zu platt und plakativ. "Parachute" vergisst im Anschluss, dass Hot-Chip-Songs nur mit deren Cleverness und Anmut funktionieren und rutscht schließlich auf der eigenen Schleimspur aus.
Licht und Schatten liegen auf "Stay together" also dicht beieinander. Es gibt durchaus Momente, in denen der veränderte Sound überzeugt. Das dramatische "Why do you do it to me?" etwa steigert sich dermaßen in seinen Four-to-the-Floor-Rhythmus hinein, das ist mehr als seichte Partybeschallung und dürfte vor allem live blendend funktionieren. Auch am Ende des Albums stehen mit dem beschwingten "Sunday morning", welches sich dreist bei The Fratellis' "Flathead" bedient, und "Still waiting" zwei gelungene Stücke. Letzteres suppt zwar tief im Kitsch herum, schafft es aber dank hübscher Melodie, dies in einen Vorteil zu drehen. Ricky Wilson erscheint vor dem inneren Auge als schmieriger Entertainer, um ihn herum Stimmengewirr und Synthies. Klingt geschrieben grauenvoll, geht aber konzeptionell komplett auf. Der sich anschließende Hidden Track soll mit technoidem Beginn und Gemurmel und Geheule sogar offenbar Radiohead aus dem Jahr 2000 parodieren.
Doch dazwischen befinden sich leider auch ein paar der grauenvollsten Songs des bisherigen Jahres. "This is pop music", verrät ein Sample am Anfang von "Press rewind", welches zeigt, was man am meisten genau daran hassen kann: Billig-Bumsebeat und die vorhersehbarste Melodie seit Tenacious Ds "One note song". Noch schlimmer ist das folgende "Happen in a heartbeat", bei der Wilsons Vocals am Anfang Schluckauf bekommen und alle Instrumente wieder die dickste Kirmes ausrufen. Immerhin gerät "Stay together" aufgrund seiner Wechselhaftigkeit paradoxerweise zu einem der interessanteren Kaiser-Chiefs-Longplayer, wenn er auch weit entfernt von gut ist. Man muss jedoch anhand der katastrophalen Vorabsingles schon froh sein, dass sich das Album insgesamt sogar als weitestgehend hörbar erweist. Vielleicht werden die guten Ansätze ja beim Nachfolger ausformuliert. Würde Noel möglicherweise freuen. (Quelle: Plattentests)


Tracklist:
  1. We stay together
  2. Hole in my soul
  3. Parachute
  4. Good clean fun
  5. Why do you do it to me?
  6. Indoor firework
  7. Press rewind
  8. Happen in a heartbeat
  9. High society
  10. Sunday morning
  11. Still waiting


Clip:
Parachute

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