Herbert Grönemeyer - Schiffsverkehr

Ist es eigentlich ein schlechtes Zeichen, wenn ein Album zwar von einer Single angekündigt, diese aber nicht wie gewohnt im Radio rauf und runter gespielt wird? Immerhin reden wir hier von Deutschlands Popinstitution Herbert Grönemeyer! Nation, vereinige dich doch endlich zum Singen einer neuen Hymne! Doch sie bleibt aus, wird zunächst nur angedeutet - die musikalische Umarmung, für die Grönemeyer immer gut war, muss gesucht werden. Das macht „Schiffsverkehr“ authentisch und zu erarbeiten.
Man muss schon ein dickes Fell haben, um Grönemeyer nach den ersten drei Titeln nicht des Irrsinns zu bezichtigen. Elektronischer sollte es werden das neue Album, aber dass der Großmeister sich hier in seiner eklektischen Mixtur aus Elektrorock und Big Band verlaufen würde, sich in Teilen sogar an bekannten Motiven und Klängen anderer Bands (Hust! Hust! Muse! Hust!) bedient haben könnte, will man gar nicht glauben. Einzig die wie gewohnt nur auf den zweiten Durchlauf transparenter werdenden Texte zeugen von Gewohntem. Aber wenn man einen Schritt zurück geht, gut hinhört, bemerkt man auch den großartigen Refrain im sonst recht sperrigen „Kreuz meinen Weg“. „Fernweh“ will nicht todernst genommen werden, spricht allerdings Wahres und am Ende ist es durchaus in Ordnung Grönemeyer ebenfalls die Zunge rauszustrecken. Man muss ja nicht alles so ernst nehmen wie es gekocht wird...oder so. Und dann kommt „Unfassbarer Grund“.

Es ist wie Balsam auf die Seele, es wirkt wie die unnötige Entschuldigung für die vorangegangenen Exzesse. Und ab hier wird es dann eben auch wieder so, wie man sich „Schiffsverkehr“ allein schon aufgrund des Titels gewünscht hat. Aber darf man das überhaupt? Sich jedes Mal aufs Neue die gleichen Grönemeyer-Motive wünschen und dann irritiert dreinschauen, wenn der Künstler eben den Künstler gibt? Natürlich nicht, aber wer sonst schenkt uns denn diese unbegreiflich schönen Werke wie „Deine Zeit“ oder „Erzähl mir von morgen“? Da darf man schon mal Angst haben, dass auf einmal tatsächlich alles anders ist.
Ist es aber eben nicht. Grönemeyer textet mit aktuellem Bezug, schreckt wie immer nicht vor der lyrischen Moralkeule zurück, schenkt Mut, lässt hinterfragen, weckt Hoffnung und inspiriert dazu über sich hinaus zu wachsen. Was der Hörer in welchem Song erkennt, das sei ihm überlassen.

Der Sound auf „Schiffsverkehr“ ist breit angelegt, könnte tonal fast schon ein Live-Album sein. Da gibt es unglaublich viel Hall selbst in den Balladen, orchestral wird es nicht nur in den langsamen Stücken und macht den Ohren insgesamt viel Arbeit.
Man muss dankbar dafür sein, dass sich Grönemeyer auch nach so vielen Jahren musikalisch noch immer in den Wind stellt. „Schiffsverkehr“ klingt überraschend anders, nicht so homogen wie man es vermutet hatte. Doch ist es schön seine Erwartungen korrigieren zu müssen, sich mal wieder etwas anzustrengen und ein Album zu erarbeiten. (Quelle: http://www.valve-magazine.net/)

Tracklist:
1. Schiffsverkehr

2. Kreuz meinen Weg
3. Fernweh
4. Unfassbarer Grund
5. Deine Zeit
6. Erzähl mir von morgen
7. Auf dem Feld
8. Zu dir
9. Wäre ich einfach nur feige
10. Lass es uns nicht regnen
11. So wie ich

Clip:
Schiffsverkehr

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